Schon aus der Ferne treffen die Schreie der Schweine mich wie ein Messerstich. Der Direktor ist ein jovialer Herr, der mir erst einmal von den guten alten Zeiten erzählt, als der Schlachthof noch nicht privatisiert war. Dann hört er leider damit auf und beschließt, mich persönlich herumzuführen. Und so komme ich also auf die Rampe. Rechter Hand kahle Betongevierte, von eisigen Stahlstangen umgeben. Einige sind bereits mit Schweinen gefüllt. "Wir beginnen hier um fünf Uhr morgens." Geschubse, hier und da Kabbeleien, ein paar neugierige Rüssel schieben sich durch die Gitter, pfiffige Augen, andere unstet und verwirrt. Eine große Sau geht beharrlich auf eine andere los; der Direktor angelt nach einem Stock und schlägt sie mehrfach auf den Kopf. "Die beißen sich sonst ganz böse." Unten hat der Transporter die Holzklappe heruntergelassen, die vordersten Schweine schrecken vor dem wackeligen und abschüssigen Übergang zurück, doch von hinten wird gedrängelt, da ein Treiber dazwischen geklettert ist und kräftige Hiebe mit einem Gummischlauch austeilt. Ich werde mich später nicht mehr wundern über die vielen roten Striemen auf den Schweinehälften. "Der Elektrostab ist für Schweine inzwischen verboten", doziert der Direktor. Einige Tiere wagen strauchelnd und unsicher die ersten Schritte, dann wogt der Rest hinterher, eins rutscht mit dem Bein zwischen Klappe und Rampe, kommt wieder hoch, hinkt weiter. Sie finden sich zwischen Stahlverstrebungen wieder, die sie unentrinnbar in einen noch leeren Pferch führen. Wenn es um eine Ecke geht, verkeilen sich die vorderen Schweine, alle stecken fest, und der Treiber flucht wütend und drischt auf die hintersten ein, die panisch versuchen, auf ihre Leidensgenossen zu springen. Der Direktor schüttelt den Kopf. "Hirnlos. Einfach hirnlos. Wie oft habe ich schon gesagt, dass es doch nichts bringt, die hintersten zu prügeln!" Während ich noch wie erstarrt dieses Schauspiel verfolge – das ist bestimmt alles nicht wahr – du träumst –, wendet er sich ab und begrüßt den Fahrer eines weiteren Transportes, der neben den anderen gefahren ist und sich jetzt zum Ausladen bereit macht. Warum es hier viel schneller, aber auch mit noch viel mehr Geschrei vonstatten geht, sehe ich erst, als hinter den emporstolpernden Schweinen ein zweiter Mann aus dem Laderaum auftaucht, denn was nicht schnell genug ist, wird von ihm mit Elektroschocks bedacht. Ich starre den Mann an, dann den Direktor, und dieser schüttelt ein weiteres Mal den Kopf: "Also, Sie wissen doch, das ist bei Schweinen jetzt verboten!" Der Mann blickt ungläubig, dann steckt er das Gerät in die Tasche. Wer spricht von der Intelligenz und Neugier in den Augen eines Schweines? Von hinten stupst mich etwas in die Kniekehle, ich fahre herum und blicke in zwei wache blaue Augen. Viele Tierfreunde kenne ich, die enthusiastisch schwärmen von den ach so seelenvollen Katzenaugen, dem treuen Hundeblick, – wer spricht von der Intelligenz und Neugier in den Augen eines Schweines? Ich werde diese Augen sehr bald noch anders kennenlernen: Stumm schreiend vor Angst, von Schmerzen stumpf, und dann blicklos, gebrochen, aus den Höhlen gerissen, über den blutverschmierten Boden kollernd. Messerscharf streift mich ein Gedanke, den ich in den folgenden Wochen monoton noch viele hundert Male im Geiste wiederholen werde: Fleischessen ist ein Verbrechen – ein Verbrechen: ... Danach ein kurzer Rundgang durch den Schlachthof, im Pausenraum beginnend. Eine offene Fensterfront zur Schlachthalle, in unendlicher Folge schweben am Fließband fahle, blutige Schweinehälften vorbei. Dessen ungeachtet sitzen zwei Angestellte beim Frühstück. Wurstbrot. Die weißen Kittel der beiden sind blutverschmiert, unter einem Gummistiefel hängt ein Fetzen Fleisch. Hier ist der unmenschliche Lärm noch gedämpft, der mir wenig später ohrenbetäubend entgegenschlägt, als ich in die Schlachthalle geführt werde. Ich fahre zurück, weil eine Schweinehälfte scharf um die Ecke saust und gegen die nächste klatscht. Sie hat mich gestreift, warm und teigig. Das ist nicht wahr – das ist absurd – unmöglich. Unwillkürlich erwartet man Ungeheuer, aber es ist der nette Opa von nebenan, der flapsige junge Mann von der Straße ... Alles zugleich stürzt auf mich ein. Schneidende Schreie. Das Kreischen von Maschinen. Blechgeklapper. Der durchdringende Gestank nach verbrannten Haaren und versengter Haut. Der Dunst von Blut und heißem Wasser. Gelächter, unbekümmerte Rufe. Blitzende Messer, durch Sehnen gebohrte Fleischerhaken, daran hängende halbe Tiere ohne Augen und mit zuckenden Muskeln. Fleischbrocken und Organe, die platschend in eine mit Blut gefüllte Rinne fallen, so dass der eklige Sud an mir hochspritzt. Fettige Fleischfasern am Boden, auf denen man ausrutscht. Menschen in Weiß, von deren Kitteln das Blut rinnt, unter den Helmen oder Käppis Gesichter, wie man sie überall trifft: in der U-Bahn, im Kino, im Supermarkt. Unwillkürlich erwartet man Ungeheuer, aber es ist der nette Opa von nebenan, der flapsige junge Mann von der Straße, der gepflegte Herr aus der Bank. Ich werde freundlich begrüßt.